Die Barnum-Schmiede I

Manchmal könnte ich mich eigentlich schon ziemlich beeumeln – heute mal über Barnum-Aussagen.
Total geil, wie die heutzutage eingesetzt werden: laufend sieht man auf Facebook irgendwelche ach so passende Aussagen über manche Leute:
„Geburtstag am 29.2.1981: Auch wenn man ihn immer mit einem Lächeln auf dem Gesicht sieht, bedeutet das nicht, dass es nicht auch Seiten an ihm gibt, die er versteckt. Er hat viele Schwierigkeiten und Probleme durchgestanden, aber er wacht jeden Morgen mit dem Entschluss auf, das Beste daraus zu machen.“
Sehr schön, sehr schön, meinen Charakter gut getroffen. (Also, meinen natürlich nicht, ich hab’s abgeschrieben. Geht ja. Sind ja Barnum-Aussagen. Genau deshalb ist es ja so schön und so treffend, sie zu lesen. 😉 )

Für eben erwähnte schöne Auskunft muss man nur ein kleines bisschen seine digitale Seele verkaufen. (Hab ich nicht neulich gelesen, dass man ein ganz gut passendes Persönlichkeitsprofil aus 30 gelikten Sachen bei Facebook rechnen kann?) Und das ist ja wohl keine Frage, dass der kleine Gefallen, den Webseiten für solche schmeichelnd schöne (oder wenigstens witzige) Persönlichkeits- / Geburtstags- / Vornamensinterpretationen sich vom Nutzer die Erlaubnis holen ein bisschen was vom Profil zu checken. (Oder alles? Naja, halt so viel wie man abgreifen kann.)
Was macht man dann, als vordergründiger Namenstagsinterpret, mit den schönen Daten? Naja, halt Persönlichkeitsprofile erstellen! Das ist doch das geile an Big-Data in einer kapitalistischen Welt.
*Ironie aus. Nur falls es irgendjemandem nicht aufgefallen ist… Ich find’s nicht geil. :-)*
Und dann macht man halt das übliche mit Persönlichkeitsprofilen in einer kapitalistischen Werbewelt: man sorgt dafür, dass die Persönlichkeit möglichst gut zugeschnittene Werbung bekommt. Entweder, weil man selber was verkauft, oder vermutlich einfach nur, weil man die Werbung selber vertickt und zugeschnittene Werbekunden wesentlich ertragreicher sind als das Gießkannenprinzip.

Irgendwie dachte ich, ich hätte das bei BrandEins gelesen. Finde aber gerade den Artikel nicht. Egal. Hier bei Chip gibts einen ähnlichen Inhalt. Moment, eigentlich mag ich den Deutschlandfunk lieber als Chip.de, deren Artikel nennt zwar keine Zahlen zur Analyse aber gibt wenigstens auch noch positive Beispiele, wie Analyse den Menschen auch mal helfen könnte: in der Suizidprävention.

Wobei ich jetzt beim Stöbern auf BrandEins auf einen anderen interessanten Artikel gestoßen bin über Werbung im Internet allgemein und die speziellen Arten und Erfolge, respektive Misserfolge.
(Beim Lesen des Artikels fällt mir auf, dass ich mal wieder Cookies löschen sollte. Mit Entsetzen stelle ich fest, dass da ungefähr … ups … wohl Hunderte sind.)

Okay, ich schwoff ab. Eigentlich wollte ich noch kurz was zu Barnum-Aussagen aussagen.
Barnum-Aussagen … naja, kann ich jetzt gar nicht besser beschreiben als Wikipedia das eh schon macht (immerhin sind da bereits einige Iterationen Intellenz durchgelaufen). Aber ich füge mal noch extra Beispiele hinzu, wenn mir irgendwelcher Blödsinn einfällt:

Typische Barnum-Aussagen entstehen unter anderem durch folgende Mittel:

  • Grundängste, die vielen Menschen gemeinsam sind, aber als individuell empfunden werden, weil darüber wenig gesprochen wird. Beispiel: „Für den Schutz Ihrer Kinder würden Sie alles tun.“
    „Wenn jemand heimlich Ihr Nutella leergemacht hat, könnten Sie zum Berserker werden.“
    „Den Weltfrieden finden Sie als globales Konzept gut.“
    „Wenn der Weltfrieden mal wieder in Gefahr ist, müssen Sie doch mal wieder Ihr Kostüm aus dem Keller holen.“
  • Weit verbreitete Wünsche, etwa nach einer sicheren Arbeitsstelle, einer gesunden Umwelt oder einem guten Beziehungsleben.
    „Sie wünschen sich sehentlich, dass Ihnen mal wieder jemand ein Candlelightdinner spendiert. Oder wenigstens eine Pizza-to-go.“
  • Aussagen, die zwischen zwei Polen vermitteln; Beispiel: „Sie handeln oft entschlossen, sind aber auch häufig unsicher, wie Sie sich verhalten sollen.“ Die meisten Menschen kennen beides und empfinden daher die Aussage, die keine klare Gewichtung vornimmt, als auf sie zutreffend.
    „Sie können sowohl hochromantisch als auch vogelwild sein.“
  • Unscharfe Formulierungen wie „Sie neigen zur Faulheit“ finden eher Zustimmung als konkrete wie „Sie haben heute noch nichts geschafft“.
    [Wobei ich manchmal das Gefühl habe, die zweite Aussage wäre wahrer. 😉 Naja, kann auch an Dunning-Kruger liegen… Oder dem vielleicht nicht, aber irgendwas artverwandtes.]
    „Sie neigen dazu, Ihre eigenen Fehler genauer zu betrachten als dies nötig wäre.“
    „Sie könnten ein bisschen mehr auf Ihre Gesundheit achten.“
    „Manchmal könnten Sie aus der Haut fahren – beherrschen Sie sich in diesen Fällen.“
  • Suggerierte Dinge: „Heute könnten Sie jemanden verletzen“ suggeriert eine Falle, und der Leser sucht in der Erinnerung (und findet unter Umständen auch) einen dazu passenden Vorgang, der als Bestätigung gewertet wird – ohne auf den Gedanken zu kommen, ebenso bewusst nach Gegenbeispielen zu suchen.
    „Heute könnte ein Klavier auf Sie fallen – seien Sie sich dessen bewusst, dann wird es keine Anzeichen von fallenden Klavieren geben.“
    „Heute werden Sie die Geduld auf Arbeit besonders benötigen.“
    „Heute wird Sie jemand sehr inspirieren.“

Hihihi. Das macht leider ziemlich großen Spaß, sich solche Blödsinnsbeispiele auszudenken. A very good business idea maybe.

Okay, jetzt haben wir diesen Punkt auch geklärt: Peter kann sich selbst mit zwei Gläsern Wein immerhin noch akzeptable Barnum-Aussagen ausdenken. Super! Was glaubt ihr, was da an einem Wochenende konzentrierter Arbeit rauskäme?
[Mal schauen, ob ich da für echte Geistesarbeit zu faul wäre. Vielleicht würde ich da den erprobtem Forer-Style (1948) nutzen und die Aussagen aus Online-Horoskopen kopieren – die haben da mehr Erfahrung, sowohl von Inhalt, als auch vom sprachlichen Schliff (hoffentlich). Wobei ich feststelle, dass es auch großen Spaß macht, beliebige schwimmi-schwammi-schwummi-Aussagen zu machen – siehe auch weiter unten.]

Und jetzt überhaupt mal meine (Geschäfts-?)Idee:
Ich sollte also eine Webseite konstruieren, die dem Nutzer beliebige Barnum-Aussagen liefert. Kostenlos. Man muss nur beliebige Daten seines Lebens (oder Facebookaccounts oder ähnliches) dafür hergeben. [Ist egal, die kann eh jeder einsehen. Ich dann halt auch. 😉 ]
Dann erstelle ich Persönlichkeitsprofile davon und verticke die an Amazon oder wen auch immer sowas interessiert. BMW, Audi, den örtliche Gartenbauverein, whatever.

Oh, Moment, das ist ja schon ein gängiges Geschäftsmodell. Oh.
Was gäbe es dann noch für Vorteile bei meinem Geschäftsmodell? Naja, dass ich die saulustigen Barnum-Aussagen selber machen kann. Und ich kann per Algorithmen bestimmen wer welche Aussagen bekommt. Und irgendwas mit emotionalen Bildern brauch ich auch noch. (Die ziehe ich entweder ohne Quellenangabe irgendwo aus dem Netz oder direkt aus den Fotoalben der User. (Ach Moment, das ist in der Szene schon die gängige Praxis? Ach, langweilig…))

Ach, vielleicht wäre ein Geschäftsmodell: Barnum-Aussagen ohne Datenabsaugen anbieten! Yeah!
Ach, ne, das wäre ja nur lustig für die Nutzer, aber dann hab ich ja nix davon.
Wie wäre es mit: „generieren Sie die tollsten Barnum-Aussagen (mit Bild) – und ohne Datentracken! 10 tolle Bilder und Sprüche nach Wahl für nur 2€. NUR bei uns bekommen Sie die schönsten Sprüche mit der Garantie, dass Ihre Daten nicht gespeichert werden!“
(Auf der Webseite wird dann nicht geworben mit „das bedeutet Ihr Vorname / Nachname / Geburtstag“ sondern „suchen Sie sich irgendwas aus, was Ihnen gefällt und das Bild dazu auch, wir brutzeln alles für Sie zusammen und Sie können es dann in Ihrer Timeline veröffentlichen“
[„Sie haben Angst, zu viel von sich preiszugeben. Aber es gibt auch ehrliche Menschen die Sie nicht ausnutzen werden.“ „Umsonst ist im Internet nur der virtuelle Tod. Nicht einmal Barnum-Aussagen gibt es für nau. Aber Sie werden einen Anbieter finden, der diese transparent und ehrlich anbietet.] ).

Eigentlich gar nicht so schlecht die Idee.
[„Heute haben Sie eine bahnbrechende Geschäftsidee, die Sie unbedingt in die Tat umsetzen sollten.“ „Scharfes Nachdenken, gemischt mit dem Gefühl ihres Bauches, werden Sie heute noch spüren.“ „Scharfes Essen, gemischt mit dem Gefühl ihres Bauches, werden Sie heute noch spüren…“ „Ihrer Phantasie sind keine Grenzen gesetzt!“ „Sie verbinden erfolgreich bisher unverknüpfte Ideen als Grundstock ihres nächsten Geschäftes.“]

Irgendwann vielleicht mal. Wenn ich gaaaar nichts zu tun hab.
(Am Sankt Nimmerleinstag oder so wird das so sein.)
[„Sie wünschen sich oft, mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu haben.“ „Sie haben zu viele gute Ideen, um alle in die Tat umsetzen zu können.“ „Sie neigen zu Prokrastination bei weniger wichtigen Themen.“]

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